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| ![]() | Thalia, Kalliope, Melpomene ...und natürlich Schneeblondchen, öffnen hier ihre Büchsen für das neueste, frischeste Geschriebene. Viel Vergnügen! Bitte auch in die letzten Ausgaben der Bierglas-Lyrik.ch schauen!!!
Da stand dieser Typ. Einfach so. Mit Jesuslatschen an den schmutzigen Füßen, einer Mähne für die ihn jedes Haarfärbemittel-Modell beneidet hätte und einer Kreuzung aus Gitarre, Mundharmonika und Waschmaschine vor dem Bauch. Er tat nix, ankerte einfach nur so da auf dem akkurat gepflasterten, gefegten Bahnsteig und blickte mich an.
Schneeblondchen ist ätherisch schön, klug, eloquent - und im gleichen Maße unausstehlich, eigensinnig und unberechenbar. Sie wird von anderen geliebt, von mir gehasst. Wenn es ihr einfällt, sitzt sie mir im Nacken und diktiert traumhafte Texte in meine Tipp-Fingerspitzen. Scharfzüngige Pamphlete, flammende Reden, äußerst originelle Stories jeglicher Länge und Genre. Aber nur, wenn es ihr einfällt! Sie ist meine Muse. Die mich zur Verzweiflung treibt. Ach so, nymphoman ist sie dabei auch noch. Z.B. bei der letzten Weltmeisterschaft. Da ist sie einfach durchgebrannt. Nur um diesem Schweini nachzusteigen. Pah, der war doch viel zu jung für die. Als der nicht wollte hat sie sich fast lahm gelaufen, immer hinter dem Phillip her. Ich saß derweil hier dumm rum, ohne Ideen, ohne Inspiration. Naja, irgendwann kam sie dann braungebrannt aus Afrika zurück. Nuschelte was von vergeblicher Löw-enjagd, dass sie Fußball noch nie mochte und verkroch sich für geschlagene 4 Wochen in den letzten Winkel meiner Genialitäten-Hirnwindung. Doch dann erwachte Schneeblondchens Interesse an dem Trittballspiel erneut: die Bundesliga begann. Sie nötigte mich einen eher nachlässig geschriebenen, nicht besonders zündenden Bericht über den MSV herzustellen. Nur um mich bei Laune zu halten. Ließ mich sämtliche vom DFB aufgestellten Fußballregeln recherchieren, Listen von Liga-Vereinen erstellen und alle Transfers mit Argusaugen beobachteten. Ich war also beschäftigt und sie konnte wieder einmal tun, was sie wollte: rumflirten. Seitdem läuft das so, jede Saison. Ich falle immer drauf rein. Mit einem gewissen Mats hummelt sie sich durch die Hamburger Sündenmeile, dann fungiert ein Manuel als ihr Neuer. Sie sorgt für die Integration Migrationshintergründiger und mir kommen Namen wie Blazczykowski oder Gündogan (mit diesem Strich über dem zweiten g) oder Xherdan Shaqiri (ohne irgendeinen Strich) problemlos über die Lippen. Schneeblondchen ist unersättlich, ohne Rücksicht auf gute Sitten oder Mentalitätsunterschiede. Sie nimmt jeden. Einmal ist es vorgekommen, dass Nachbarn die Polizei riefen: ein kriminell aussehender Mann mit Gesichts-Narbe machte sich an unserem Birnbaum zu schaffen und murmelte dabei fremdländisch vor sich her. Wie sich herausstellte hielt er sich für einen entfernten französischen Verwandten des Herrn Ribbeck auf Ribbeck und hieß Franck Ribery. Er wollte mit dem Obst und einer Flasche Pastis „51“ das Herz von Schneeblondchen erobern. Kurz darauf tauchten Flamenco Tänzer (Martinez und Gomez) und ein mit Schweizer Rösti bepackter Italiener namens Diego Benaglio auf. Sie alle erhofften sich dauerhaften Einlass bei meiner Muse, welche die Jungs richtig heiß gemacht hatte und dann doch kalt abservierte. Heute noch landet ab und an ein Adler mit dem schönen Vornamen Rene bei uns im Vorgarten. Gottseidank hat sich Schneeblondchen inzwischen wieder auf ihre literarische Arbeit besonnen. Wenn auch nicht bei mir. Sie hilft momentan einem gewissen Dante beim Verfassen eines neuen Buches über Gott, Fußball und Komödie. Was immer das bezwecken soll; ich bin jedenfalls froh dass sie im Büro von Uli Hoeneß an dem Manuskript arbeiten. Scheint ja eine sehr inspirierende Umgebung dort bei Bayern München zu sein - insbesondere bei Memoiren und Steuererklärungen. Ich habe mir schon überlegt, einfach meine Unterlagen fürs Finanzamt zwischen ihre Papiere zu schmuggeln. Dann kann sie die frisierten Angaben auf CD brennen - oder vielleicht doch lieber nicht. Mir bleibt momentan nichts anderes übrig als auf Schneeblondchen weiterhin zu warten. Es ist wieder kurz vor so einer vermaledeiten Weltmeisterschaft. Ohne meine Muse bin ich aufgeschmissen. Nix an Gedankengrätschen, vom Versenken literarischer Pass-Hochleistungen im Autoren-Tor ganz zu schweigen. Keine Ideenbälle, die mir zugespielt werden. Und von diesen durchtrainierten, knackigen Männerkörpern habe ich ebenfalls nix. Nur sie.
Mal ehrlich: Hippies und Mobile-Unterkunftsanhänger-Besitzer eint doch das Verlangen auszubrechen aus dem schnöden Alltag, alle Regeln und Konventionen hinter sich zu lassen. Abzuhängen in der freien Natur, am besten noch mit ebenso freiem Sex, ihre Nacktheit lediglich mit Feinripp-Trägerhemd und Shorts bedeckend. Gerne auch mit Batikmuster. Jesuslatschen sind durch Aldiletten ersetzt worden. Die meisten Frauen haben sich kurz vor der Exkursion in die außerhäusliche Freiheit beim Friseur eine praktische „Afrolocken-Dauerwelle“ gegönnt. Bei den Herren der Schöpfung wird die (wenn noch vorhandene) Kopfbehaarung wachsen gelassen und mit der Rasur wird geschlampt. Auf dem Weg ins Paradies ist man einer von vielen Gleichgesinnten, wenn sich zwei Wohnwagenhinterherzieher auf der Autobahn tempolimitbefreit überholen - es wird freundlich gehupt. Manchmal schaut einer nicht, (dem Ursprung des Wortes gemäß, aus Westafrika- da bedeutet hipi „die Augen öffnen“), genau hin und verursacht einen Unfall. Dadurch im Stau stehende Camper holen die Plastikstühle raus, machen sofort ihre Kühltasche auf und verteilen begeistert den Kartoffelsalat mit kalten „Wienern“. Wie damals in San Francisco, als Hippie-Aktivisten Suppenküchen für die Blumenkinder eröffneten. Im „hippen“ Konvoi geht es dann zum ausgesuchten Campingplatz (aus „hipi“ wurde in den 30 Jahren der USA dann „hip“, also angesagt sein). Kaum ist man auf seiner zugewiesenen Parzelle eingetroffen, hagelt es schon Einladungen. Vorwiegend jene Zelter, die vor dem Stau am „Camp“ eingetroffen sind und alles schon aufgebaut haben, laden auf ein Bierchen und zum krebserregend stark vergrillten Kotelett. Immerhin mit Salatbeilage. Wegen der Natürlichkeit. Anstelle von süßen Haschdämpfen atmet der Camper mit Vorliebe den Rauch von verbranntem Fett und Brandbeschleuniger ein, mit dem er seinen Grill auf Hochtemperaturen treibt. Ganz Mutige nehmen auch Petroleum. Die Nachzügler versichern sich der gegenseitigen Hilfe beim Vordachauseinanderfalten: man hat sich ja schon auf der Autobahn kennengelernt und den Senf geteilt. Zum Bier gibt es dann noch „Kurze“, sozusagen der Ersatz für das LSD der damaligen Hippiezeiten. Je später die Nacht wird, umso hemmungsloser wird das fahrende Volk. Die Musik besteht aus psychedelisch vergrölten Schlagerarien, angetrunken unmelodischen Hochrufen auf das erfolgreiche Urinieren in den Topf der Chemietoilette. Dazwischen die spitzen, schrillen Lachsalven der hoffnungslos verschwurbelten Lagerfrauen, die sich mit Pikkolöchen ihre Männer schön süppeln. Manchmal auch die der Nachbarinnen. Und zuweilen klappt es dann auch mit der freien Liebe, sollte die Kombination Love, Drugs and Florian Silbereisen zusammenpassen im schummerigen Mondlicht. Am nächsten Morgen krabbeln dann alle aus ihren Unterkünften, gehen gemeinsam zum Badehaus und bekämpfen den Kater mit einem zünftigen Frühschoppen-Event. Das Elend der Welt außerhalb der Platzumzäunung kann am besten im Suff ertragen werden. Bis zur nächsten Grillübereinkunft. Und da…ja da ist der Widerspruch, den Sie mir gerne entgegen halten können: Die wahren Hippies der 1960er Jahre nahmen Drogen um ihr Bewusstsein zu erweitern! Sie wollten Lösungen finden für die sozialen Probleme, setzten sich persönlich ein. Ohne Tabus, ohne Weltanschauungsgrenzen, ohne Kastendenken. Auch wenn sie scheiterten, haben sie nicht nur einer Generation aufgezeigt, wie es vielleicht sein könnte bei uns auf Erden. Der überzeugte Camper von heute verengt seine Aufnahmefähigkeit weil er gar nicht mehr erfahren will. Ausgenommen neue Straßen und Landschaften, die nicht allzu anspruchsvoll sind. Ich mochte Camping noch nie, aber die Blumenkinder von damals waren mir schon immer sympathisch. Denn auszusteigen und gegen Rassismus, Ungerechtigkeit, Krieg und machtpolitischen Wahnsinn zu demonstrieren und zu leben - das erfordert Courage. Genau den Mut, der heutzutage fehlt in der Welt. Also, Camper der Welt: Bier weggestellt, Joints rausgeholt und dann „Hippie-i-ye“, ihr könnt sie noch retten, die Welt. Wenn ihr es wollt… | ![]() | ||||||||||||||||||
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